Neuzeit
Nachdem die Hexenverfolgung endlich vorüber war, waren die Hexen und andere naturreligiöse Menschen verängstigt und in alle Winde zerstreut. Menschen mit gleichen naturreligiösen Auffassungen fanden sich nach und nach in kleinen Zirkeln zusammen. Dabei bekam niemand die Inquisition ganz aus dem Kopf.
Anfang des 19. Jahrhunderts setzte die industrielle Revolution ein, welche viele Menschen dazu brachte, das Landleben hinter sich zu lassen und in die Städte zu ziehen. Auch die Bildung machte erhebliche Fortschritte, wodurch sich im Gegenzug die Macht von Religionen verringerte.
Die Mittelklasse begann über Magie nachzudenken und Anfang des 18.Jh. entstanden erste Freimaurerische Bewegungen. Die Freimaurer waren keine Religions- bzw. Glaubensgemeinschaft, sondern ein ethischer Bund von Männern aller sozialen Schichten und Bildungsgrade und weitgehend unabhängig von Stand und Nationalität. Sie strebten moralische Vervollkommnung und geistige Vertiefung sowie Pflege echter Menschlichkeit an und traten für Toleranz und Menschenwürde ein. Einige Magier, Okkultisten und Esoteriker gehörten neben ihrer magischen Arbeit auch einer Freimaurerloge an.
1850 flammte der Spiritualismus in den USA plötzlich wieder auf und sprang bald nach Europa über. Die Menschen begannen, an die Existenz von Geistern und anderen übersinnlichen Wesen zu glauben. Wobei sie sich selbst als Okkultisten bezeichneten. Das Wort Okkultismus kommt von „occulttum“ was lateinisch ist und verborgen bedeutet. Es beschreibt die nicht-wissenschaftlichen Formen der Beschäftigung mit Übersinnlichem und Übernatürlichem.
Auf Grundlage der Magie & Philosophie aus der Renaissance und in Kombination mit experimenteller Magie, ägyptischer Alchemie, sowie Tarot u.a. bildeten sich esoterische Geheimwissenschaften heraus. In dieser Epoche wurde auch die komplexe, reglementierte Zeremonialmagie weiterentwickelt.
Die bedeutendsten Persönlichkeiten, welche die Magie der Neuzeit am weitesten vorantrieben, waren der im 19. Jahrhundert lebende Lévi und der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wirkende Crowley.
Eliphas Lévi
Der Franzose Eliphas Lévi lebte 1810 bis 1875 und war einer der wichtigsten Magier im 19. Jahrhundert. Er verfasste 20 Bücher rund um den Okkultismus. Lévi orientierte sich in seiner Arbeit stark an der jüdischen Geheimlehre Kabbala und war Rosenkreuzler. In Levis Weltbild war das Universum vollständig dualistisch aufgebaut. Hell und Dunkel standen sich in seinem Weltbild gegenüber. Beide existierten als Absolutum und alle Manifestationen sind nach seinem Konzept ein Gegenspiel dieser völlig gegensätzlichen Eigenschaften.
Sein Hauptwerk heißt „Transzendentale Magie“ und erschien 1856. Des weiteren veröffentlichte er eine vielbeachtete, dreiteilige Serie mit dem Titel „Dogmen und Rituale der hohen Magie“. Lévi schrieb über die drei seiner Meinung nach grundlegenden Prinzipien der Magie. Die Synthese aus Willen und vernünftigem Handlungsmotiv. Das astrale Licht (eine Art kollektives Energiegedächtnis der Erde und aller Lebewesen (ähnlich Karma und Akasha) und die Korrespondenz (Dinge, die miteinander in Verbindung stehen).
Aleister Crowley
Der Engländer Aleister Crowley (1875-1947) ist sicher einer der umstrittensten Persönlichkeiten der magischen Zeit des 20Jh. Dennoch sind seine Werke heute Standardliteratur der abendländischen Zeremonialmagie und zahlreiche esoterische Schulen beziehen sich bis heute auf sie. Er führte die okkulten Systeme Lévis und Franzers aus dem 19. Jahrhundert fort und war neben Godjew einer der bedeutendsten aktiven Magier der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Bereits in jungen Jahren erbte er von seinem Vater viel Geld, das ihm die Freiheit ermöglichte, sein Leben seiner magischen Arbeit zu widmen und viel durch die Welt zu reisen. Er genoss eine ausführliche Magieausbildung im “Orden des Golden Dawn“, wo er bis in den 9. Grad initiiert war. Seit 1922 war er Oberhaupt des internationalen O.T.O. (Ordo Templi Orientis Orden (welches eine irreguläre Form einer Freimauerloge ist).
Sein 1944 veröffentlichtes Crowley Tarot ist heute eines der bekanntesten Tarot Decks, dessen Symbolvielfalt hoch gelobt wird. Und sein Grundsatz „Tu was du willst ....“ bildet beispielsweise eine bis heue gültige Grundlage der Magie. Für Crowley war freiwilliges Leben als ethische Grundlage allen Handelns zu sehen. Sein Leitspruch lautete “Tue was Du willst soll sein das Gesetz. Liebe ist das Gesetz, Liebe unter Willen”. Er wollte das Zeitalter der Fremdbestimmung abschafften, so dass der Mensch wieder von seinem eigenen freien Willen gelenkt wird. Laut Crowley muss der Menschen erst erforschen, worin der eigene Wille wirklich besteht, um die von innen gewollte Handlung ausführen zu können. Dies spiegelt ein klassisches Bildungsideal wieder. Für ihn sollte das eine Selbstverständlichkeit in der Handlungsmatrix der gesamten Menschheit darstellen.
Die Essenz seiner Lehren ist in seinen Werken sicher nicht leicht zu erlesen und er war ganz sicher eine sehr umstrittene Persönlichkeit. Skandale, hervorgerufen durch intensiven Drogenkonsum und ausschweifende Sexorgien (die letztendlich sogar dazu führten, das er aus Italien, wo er einigen Zeit lebte, ausgewiesen wurde) zogen sich durch sein Leben. Seine Frauen landeten beide in einer Anstalt, 5 Geliebte begingen Selbstmord. Dinge wie diese brachten es ihm ein, dass der erstaunliche Fortschritt, den er dem Thema Magie brachte, zu seine Lebzeiten nur von wenigen anerkannt wurde. Aleister Crowley war ohne Zweifel ein schwieriger und widersprüchlicher Charakter. Dennoch haben seine Schriften nachhaltigen Einfluss auf alle heutigen esoterischen Richtungen ausgeübt. Er steht heute vor allem für die Weiterentwicklung des Individualismus. Seine Anhänger die sich “Thelemiten“ nennen, entwickeln seine Werke bis heute weiter.